Anmerkungen eines Siegers

verfaßt von Michael Paas und zuvor bereits in MegaZine 5:1990 veröffentlicht.


Egonesien heißt es, das Land, in dem die Türme wachsen. Aber sie wachsen natürlich nicht von selber - sie werden gebaut! Wen interessiert es schon, egonesische Türme zu bauen? Nun, die Antwort ist leicht, die Turm- und Palastbau GpkB, die Babeler Beton Bubies, die Legoer Steinesammler oder Attilas Hunnen ... in jedem Fall steckt ein kluger Kopf, wie ihn Postspiel-Interessierte in der Regel ja zu besitzen pflegen, dahinter. Also gut, wie wird er nun am besten gebaut, dieser Turm, besser: dieser höchste Turm?

Also als erstes drucken Sie Falschgeld, dann lassen Sie einem Händler mit möglichst vollem Lager ein (hochprozentiges) Geschenk zukommen, woraufhin er Sie zuvorkommend bedient. Wenn Sie natürlich einer von den Damen und Herren der Turmbaukonkurrenz dabei anzeigt, werden Sie vielleicht eine Runde im Gefängnis verbringen müssen, denn sowas gibt es in Egonesien auch.


Tip 1:

Man sollte deshalb genau soviel Falschgeld drucken, daß selbst bei ZZ=48 der von der (in der Spielregel genannten) Formel vorgegebene Grenzwert nicht überschritten wird. Dadurch hat man etwas Luft, um eventuelle Anzeigen mit etwas Glück auch noch zu überstehen. Falls erforderlich, also bei Kujambel-Mangel, sollte man die Aktion später noch einmal wiederholen.

Man kann es natürlich auch legal versuchen. Auf dem Steinemarkt einkaufen gehen, wie jede gute Hausfrau es tun würde - aber welche gute Hausfrau hat da nicht auch schon einmal ans Klauen gedacht. Eine der vornehmsten Beschäftigungen ist der Besuch im Steinelager der Mitspieler, nachdem man sich bei den Händlern bereits mehr oder weniger legal bedient hat und einer Razzia vielleicht nur knapp entgangen ist, welche die egonesische Polizei in Abhängigkeit von den neuesten Lottozahlen immer mal wieder durchführt.


Tip 2:

Man kann zwar gewinnen, ohne auch nur eine einziges Mal geklaut zu haben, trotzdem ist dies die vielleicht effektivste Methode, um gezielt den besser plazierten Mitspieler zum schlechter plazierten zu machen.

Jetzt ist das Stichwort gefallen >Lottozahlen<. Wer sie richtig erahnt, wird jede Partie für sich entscheiden können, denn im Land des Egon hängt einfach alles von den Lottozahlen ab. Sie lösen Unwetter aus, verleiten Wachmannschaften und Baukolonnen zu wilden Streiks, führen zu Währungskrisen und bestimmen die Preise, welche die fünf Händler für ihre Steine verlangen. Und wenn man das vorherahnt, kann man günstiger einkaufen und es vermeiden Bekanntschaft mit der Egonwucher-Bank zu machen, die am Ende jeder Runde erbarmungslos 50% (!) der Schulden, die man schon mal machen kann, als Zinsen abverlangt. Da heißt es dann oft, das bisher Erreichte an Turmschönheit (sprich: Höhe) der Öffentlichkeit zur Besichtigung freizugeben, um daraus resultierende Einnahmen zur Tilgung einzusetzen.


Tip 3:

Vermieten ist ein recht einträgliches Geschäft und, sofern man nichts Wichtigeres zu tun hat, eine sinnvolle Abwarte-und-Teetrinkaktion. Das Vermieten wird einem Bauunternehmer ohne Schuld und Tadel besser gelingen als einem, dessen >Disziplinarindex< (DI) durch frühere Schandtaten (Falschgelddruckerei, Diebstahl, Zahlung von Schmiergeldern und Schlimmeres) einen entsprechenden Wert angenommen hat, der dann nur noch durch die Veranstaltung von ausschweifenden Parties wieder gesenkt werden kann.


Tip 4:

Das Veranstalten von Parties hat einen Nebeneffekt, der noch viel wichtiger als die eigentliche DI-Senkung sein kann: Man kann dadurch nämlich einige Konkurrenten mit ein wenig Glück praktisch handlungsunfähig für die Runde machen. Die Steine, die man zum Bau des höchsten und schönsten Turm in Egonesien benötigt, kann man im Prinzip nur auf dem freien Markt erwerben, denn das Klauen und Beklautwerden gleicht sich über das ganze Spiel betrachtet einigermaßen aus. Auf dem Markt aber gibt es, außer einem leichten Vorteil für die höheren Türme, gleiches Re(i)cht (nicht) für alle. Das heißt, durch normales Einkaufen ist ein deutlicher Vorsprung nicht herauszuholen.


Tip 5:

Man sollte stets versuchen, alle von den Händlern angebotenen Steine >nachzufragen< und dabei den jeweiligen Höchstpreis, zu dem man wirklich solche zu kaufenbereit ist, durch die eingesetzte Gesamtsumme auf ca. 300-500 Kj pro Stein festlegen - je nach der augenblicklichen oder zu erwartenden Liquidität der eigenen Firma ... was sich allerdings durch den Einsatz von Schmiergeldern für einen der Herren Händler, am besten gepaart mit einem richtigen Riecher für den richtigen mit den günstigen Sonderangeboten, radikal ändern läßt. Wer am höchsten schmiert, erhält ein Vorkaufsrecht, das es erlaubt, alle Steine direkt ins eigene Lager umzuleiten, bevor sie den freien Markt erreichen. Diese Methode ist gleichzeitig die effektivste als auch in ihrer erfolgreichen Durchführung schwierigste Aktion, da sie es verlangt, den Satz 5.6.3 der ansonsten recht einfachen Spielregel zu verstehen, was - wenn überhaupt - eigentlich nur jemandem gelingt, der die Enttäuschung, erfolgreich geschmiert und trotzdem keine Steine bekommen zu haben, schon einmal am eigenen Unternehmen erlebt hat. Es folgt deshalb der Versuch einer sehr freien an den Konsequenzen orientierten Übersetzung dieses Passus. Vielleicht ermöglicht sie es ja dem >Bauunternehmer der Zukunft< unter meinen Lesern, ohne diese schmerzvolle Erfahrung auszukommen:


Tip 6:

Wenn man mehr als die Hälfte - im Normallfall alle - Steine des Händlers haben möchte, muß man mindestens doppelt soviel Geld für die Steine bieten wie sie hinterher kosten. Ansonsten bleibt das Schmieren völlig ohne Effekt. In dieser Vorgehensweise liegt allerdings ein gewisses Risiko: Wird der Verkaufspreis genau getroffen, wird nicht halbiert und es wird möglicherweise für recht teure Steine nachgefragt.


Der Reiz dieses Spiels liegt nicht zuletzt darin begründet, daß es soviele Unwägbarkeiten gibt, die einiges an Überraschungen produzieren können, und das Lesen einer Auswertung sowie das Verfolgen der >Ziehung der Lottozahlen< zu Ereignissen von niegekannter Spannung werden lassen. Trotz dieser bei der Zugabgabe immer unbekannten Größen lassen sich ein paar wichtige grundsätzliche Dinge zusammenfassen:

  1. Man sollte trotz der Wucherzinsen bei Verschuldung (ggf. vorher Falschgelddrucken!) nicht zu vorsichtig beim Einkauf sein, da sich später nicht beliebig viele Steine nachkaufen lassen.
  2. Will man gewinnen, muß man früher oder später oder mehrmals erfolgreich einen Händler schmieren.
  3. Kontakt zur Führungsgruppe ist erstrebenswert - je weiter vorne man liegt, desto günstiger wirkt sich ein vergleichweise niedriger Disziplinarindex aus.
  4. Als >führendes Unternehmen< sitzt man diversen Geldquellen am nächsten, ist aber auch bevorzugtes Ziel von Sabotageakten und Diebstahlsversuchen der Gegenspieler.
  5. Durch ein Erpressung läßt sich eine ganze Menge (zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer) erreichen, wenn man sich etwas einfallen läßt, besonders was die Strafen bei Zuwiderhandlungen betrifft.
  6. Besonderen Spaß macht das Spiel, wenn die einzelnen Unternehmen ihre Veröffentlichungen (vier davon sind, verteilt auf 13 Runden, Pflicht!) in einem bestimmten Stil verfassen. Das macht dann eben die besondere Note ihrer Firma aus. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Allen Neuegonesiern wünsche ich viel Glück und Geschick! Beides ist notwendig, will man vorne dabei sein, denn alle Cleverneß ist vergebens, wenn es mit den Lottozahlen nicht klappt, und die besten Lottozahlen nutzen nichts, wenn sie nicht verwertet werden.